Wirtschaft und Soziales

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Dem Rotstift entgegentreten – Sozialabbau stoppen!

Zur Zeit findet in Berlin ein Sozialabbau in einem Ausmaß statt, das die Stadt bisher nicht kannte. Die Schuldensituation ist erdrückend: Das Land Berlin hat Gesamtschulden in Höhe von 50 Milliarden Euro, die jährlichen Ausgaben liegen 6,3 Mrd. Euro über den jährlichen Einnahmen. Die Zinslast beträgt 3,4 Mrd. Euro jährlich. Allein die Ausgaben, zu denen das Land Berlin gesetzlich verpflichtet ist, überschreiten die Einnahmen beträchtlich.

Die von verschiedenen linken Gruppen vorgeschlagenen Konzepte kommunale Einkommenssteuer oder Auflösung der Bankgesellschaft Berlin können die Haushaltskrise nicht lösen. Nur durch die Heranziehung des gesellschaftlichen Reichtums wird eine Verbesserung der verheerenden Haushaltssituation möglich. Eine solche Politik ist auf Landesebene aufgrund der rechtlichen Situation nicht durchführbar, hier ist die Bundesebene gefragt. Zu fordern ist:

Veränderung der Steuerpolitik in der Bundesrepublik hin zu einer Politik, die effektiv den privat angeeigneten gesellschaftlichen Reichtum abschöpft und von „oben“ nach „unten“ umverteilt.

Dennoch kann von einem rot-roten Senat und insbesondere der PDS auch unter diesen Bedingungen eine andere Politik verfolgt werden. Auf Bundesebene gälte es, sich beispielsweise für die Forderung nach einer Vermögenssteuer, der Erhöhung der Erbschaftssteuer und höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen einzusetzen. Doch auch auf Berliner Ebene hätte der Senat Spielraum für linke Politik: Zum einen gibt es Politiken, die kostenneutral wären, aber dennoch geeignet, ein linkes Profil dieser Regierung zu zeigen. Die wenigen positiven Beispiele, wie die überfällige Wiederverleihung der Ehrenbürgerwürde an den ersten Stadtkommandanten von Berlin, Nikolai Bersarin, oder auch Wohnungsunterbringung und Bargeldauszahlung für die vom Land Berlin versorgten Flüchtlinge müssen und können durch weitere Schritte ergänzt werden. Denkbar wären: die Einführung der längst vereinbarten Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte bei geschlossenen Einsätzen, die Ablehnung öffentlicher Gelöbnisse, Schritte in Richtung der Drogenlegalisierung.

Skandalös ist jedoch, dass die Politik des Senats durch Kürzungen, die einfach unerträglich sind, gekennzeichnet ist. Zu nennen sind hier vor allem der rechtswidrige Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag, mit dem sich der Senat zum Vorreiter neoliberaler Politik gemacht hat und der Versuch, dass Sozialticket abzuschaffen, wodurch der Senat den Schwächsten der Schwachen noch die Grundlagen zum Überleben wegkürzt. Im Bildungsbereich wurden die KiTa-Gebühren erhöht und 75 MioEuro Kürzungen an den Hochschulen durchgedrückt.

Diese Kürzungen sind in ihren konkreten Auswirkungen verheerend, viel schlimmer ist jedoch die politische Botschaft, die von dieser Politik ausgeht: TINA (there is no alternative) – Es gibt keine Alternative zur neoliberalen Politik, nicht mal die Linke hat eine. Die Ausweitung der Videoüberwachung in öffentlichen Räumen zeigt, dass auch unabhängig von Kostenüberlegungen neoliberale Politik von der PDS mitgetragen wird.

Die Aufgabe von JungdemokratInnen/Junge Linke als linker parteiunabhängiger Jugendverband besteht in dieser Situation darin, die Proteste in Berlin nach Kräften zu unterstützen, die Vernetzung der verschiedenen von Kürzungen betroffenen Gruppen voranzutreiben und linke Alternativen zur herrschenden Politik aufzuzeigen.

JungdemokratINNen/Junge Linke fordern

  • Keine Kürzungen in den Bereichen Bildung, Jugend, Soziales und Kultur! Rücknahme der schon beschlossenen Kürzungen in diesen Bereichen, insbesondere sofortige Wiedereinführung des Sozialtickets zum Preis von 10 € und Wiedereintritt des Landes Berlin in den Verband öffentlicher Arbeitgeber!
  • Eine Bundesratsinitiative des rot-roten Senats für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, wie im Koalitionsvertrag festgehalten!
  • Gemeinsamer Widerstand aller von Kürzungen betroffener Gruppen!

Beschluss der ersten Landeskonferenz 2004 der JD/JL Berlin


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GATS stoppen: Public services under public control!

Mit den gegenwärtigen Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) wird die rücksichtslose Liberalisierung des Handels durch die Welthandelsorganisation WTO weiter vorangetrieben.

Das GATS ist ein wichtiger Bestandteil dieser neoliberalen Globalisierung im Dienste der Herstellung eines Weltmarktes mit nie kaum noch beschränkter Mobilität des Kapitals. In den 90er Jahren drehten sich die Verhandlungen v. a. um Deregulierung derjenigen Dienstleistungssektoren, die in der Vergangenheit von nationalen Monopolen beherrscht wurden: Telekommunikation, Finanzdienstleistungssektor, Tourismus, Medien, Post, Bahn, Elektrizität. Bis Ende Juni 2002 mussten alle WTO-Mitglieder im Zuge einer zweiten Verhandlungsrunde ihre Marktöffnungsforderungen („requests“) übermitteln. Ende März 2003 sind all jene Bereiche zu benennen, die die Mitgliedsländer selbst zu liberalisieren bereit sind („offers“)“. Auf Grundlage dieser Forderungen und Angebote werden dann neue, erweiterte GATS-Verpflichtungen ausgehandelt, die im Januar 2005 in Kraft treten sollen. (Für die EU-Mitgliedstaaten führt die Europäische Kommission die GATS-Verhandlungen, wobei auf deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium federführend ist.)

In der aktuellen Verhandlungsrunde geht es vor allem um bislang noch „geschützte“ öffentliche Einrichtungen bzw. Grundgüter des Lebens – Wasser, Bildung, Gesundheit, Altersvorsorge und Kultur. Entgegen anders lautender Beteuerungen von Bundesregierung und EU-Kommission sieht der GATS-Text eine Ausnahme für „hoheitlich erbrachte Dienste“ nur dann vor, wenn sie „weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern“ erbracht werden. Aber: in bestimmt 90 Prozent aller Länder existieren neben staatlichen Schulen, Universitäten, Krankenhäusern etc. auch ein paar private Einrichtungen, die in diesen Bereichen ihre Dienste anbieten. Es ist also davon auszugehen, dass grundsätzlich kein Dienstleistungssektor vom GATS ausgenommen ist. Es ist lediglich eine Frage der Interessen der einzelnen WTO-Mitglieder sowie des politischen Drucks, welche Bereiche inwieweit dann auch praktisch zum Gegenstand der Verhandlungen werden und wo die Bestimmungen des GATS-Vertrages schlussendlich auch politisch-juristisch durchgesetzt werden.

Grundprinzipien der WTO und somit auch des GATS sind: Handelsvorteile für ein Land gelten automatisch auch für alle anderen Mitgliedsländer („Meistbegünstigungsklausel“) und ausländische Anbieter sind z.B. hinsichtlich des rechtlichen Rahmens, nötiger Genehmigungen, eventueller Subventionen usw. genau wie inländische zu behandeln („Nichtdiskriminierungsgebot“). Der Vertrag zielt darauf ab, alle Einschränkungen, die als „Handelshemmnis“ interpretiert werden können, abzubauen, um dadurch einen effektiven Marktzugang zu erreichen. Die besondere Brisanz liegt dabei darin, dass Dienstleistungsmärkte weniger durch klassische Handelshemmnisse wie Zölle geschützt werden, sondern vor allem durch innerstaatliche Regelungen und Normen wie Bauvorschriften, Zulassungsverfahren, Umwelt- und Gesundheitsschutzbestimmungen oder Arbeits- und Sozialstandards. Von besonderer Bedeutung ist hier, dass die WTO auf dem Konzept sog. „like products“ basiert. Dies bedeutet, dass für den Marktzugang von Waren und Dienstleistungen grundsätzlich unerheblich ist, wie diese hergestellt bzw. erbracht werden. Zudem werden durch das GATS nationale Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards ausgehebelt, ohne dass auf globaler Ebene gleichwertige Regelungen treten würden. Ob eine Leistung durch Kinderarbeit oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen erbracht wird, ist egal, wenn nur das Produkt betrachtet wird. Was droht, ist ein Unterbietungswettlauf durch unterschiedliche arbeits-, sozial-, umweltrechtliche Normen. Gewerkschaften setzen sich deshalb u. a. dafür ein, dass ausländische ArbeitnehmerInnen mindestens zu den gleichen Bedingungen beschäftigt werden, die für Einheimische gelten. Sie dürfen also weder geringer entlohnt noch schlechter gegen soziale Risiken abgesichert werden.

Findet die neoliberale Wettbewerbsideologie konsequente Anwendung, müssen Privatanbietern zudem Mittel in gleicher Höhe wie öffentlichen Einrichtungen gewährt werden. Damit steht eine bevorzugte staatliche Unterstützung für öffentliche Theater, Bibliotheken und Museen ebenso zur Disposition wie die bevorzugte Finanzierung von staatlichen Schulen und Universitäten.

GATS: Liberalisierung ohne Ende!

Die Liberalisierung des Welthandels wird vor allem von den wirtschaftlich starken kapitalistischen Industrienationen vorangetrieben, die unter Bedingungen verschärfter internationaler Standortkonkurrenz um die vorteilhaftesten Kapitalverwertungsbedingungen und profitträchtigsten Absatzmärkte kämpfen. Die Europäische Union ist neben den USA, Kanada und Japan als treibende Kraft an den Verhandlungen beteiligt. Begleitet werden die Verhandlungen von einem systematischen Lobbying pro Liberalisierung von Seiten der großen Dienstleistungskonzerne. Neben Banken und Versicherungen zählen große Wasserversorger, Energie-, Bildungs- und Gesundheitskonzerne (z. B. Vivendi, Suez, RWE) zu den Profiteuren des GATS.

Betrachtet man die Liberalisierungsforderungen der EU wird jedoch auch die Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Politik deutlich. So fordert sie z.B. als einziges WTO-Mitglied die Liberalisierung der Wasserversorgung; darüber hinaus will sie außerhalb ihres Gebietes den ungehinderten Zugang zu Abfallmärkten, zum Energiebereich, zu Teilbereichen des Transports und zu Post- und Umweltschutzdiensten. Außerdem wurde gegenüber den USA nun doch verlangt, dass diese im Bereich der privat finanzierten höheren Bildungsdienstleistungen mit den GATS-Verpflichtungen der EU gleichziehen. Zunächst bedeuten die eigenen Forderungen nicht, dass im Gegenzug diese Bereiche in den eigenen Ländern gleichermaßen liberalisiert werden müssten. Ausnahmeklauseln zum Schutz der eigenen Märkte vor ausländischer Konkurrenz sind zeitweise möglich, wovon die EU bislang auch reichlich Gebrauch gemacht hat. So bleiben ihre jüngsten Liberalisierungsangebote auch noch deutlich hinter ihren Forderungen zurück. Anders als z. B. die EU können sich ökonomisch schwächere Staaten hingegen dem – nicht nur vom GATS sondern gleichzeitig auch von Institutionen wie IWF und Weltbank ausgehenden – Privatisierungsdruck kaum widersetzen.

Doch auch für die EU gilt: Wer hohe Forderungen an Drittstaaten stellt, weckt bei eben diesen ebenfalls Begehrlichkeiten bzw. kann auf Dauer wenig glaubwürdig für sich selbst Ausnahmen beanspruchen. So haben z.B. die USA im Gegenzug Interesse an der Deregulierung des Bildungs-, Gesundheits- oder Agrarsektors angemeldet. Spürbaren Druck empfängt die EU zur Zeit auch aus Japan, Australien oder Neuseeland, die einst für sich durchgesetzten Ausnahmeregeln nicht zu verlängern.

Selbst wenn auch in dieser Runde wichtige Bereiche der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge innerhalb der EU noch geschont werden sollten, bleibt ungewiss, wie lange dieser Schutz aufrechterhalten werden wird. Spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten müssen laut GATS-Vertrag neue Verhandlungen aufgenommen werden, „um schrittweise einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen“ (GATS, Artikel XIX).

Zudem zeigen die Erfahrungen vergangener Verhandlungsrunden, dass in den wichtigsten Streitfällen zwischen den Handelspartnern erst in letzter Minute Vereinbarungen erzielt worden waren, bei denen neben den prioritären Verhandlungsgegenständen sehr viele weitere Branchen und Bereiche mit einbezogen wurden. Gibt es einmal einen Kompromiss, ist der Druck sehr groß, nicht wegen einzelner Sektoren das Gesamtpaket wieder „aufzuschnüren“.

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Letztlich werden Zugeständnisse gemacht werden müssen, will man den eigenen Marktzugang in Drittländern sichern.

Soziale Auswirkungen des GATS

Mit dem GATS würden so gesellschaftliche Risiken privatisiert, soziale Ungleichheit verschärft. Private sind nicht dem Gemeinwohl verpflichtet und können sich deshalb die Bereiche mit den besten Gewinnaussichten aussuchen. Fragen des gesellschaftlichen Bedarfs, der Sicherung des freien Zugangs für alle Menschen zu öffentlichen Gütern sind für sie nachrangig.

Die Erfahrungen mit bisherigen Liberalisierungen öffentlicher Dienste sind Qualitätseinbußen, Preissteigerungen, Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Abbau sozialer Infrastruktur. So stiegen beispielsweise in Paris mit der Privatisierung der Wasserversorgung die Wasserpreise von 1984 bis 1997 um 300 Prozent, in Ghana binnen eines Jahres gar um 200 Prozent. Seit der Privatisierung der Bahn sorgte Großbritannien mit schweren Bahnunfällen in Folge von abnehmenden Sicherheitskontrollen für Schlagzeilen. In den USA kam es zu Engpässen bei der Stromversorgung. Über 34 Millionen US-Amerikaner können sich in dem ausschließlich privat verfassten Gesundheitssystem keine Krankenversicherung leisten.

Nationale Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards werden so ausgehebelt, ohne das auf globaler Ebene gleichwertige Regelungen treten würden. Ob eine Leistung durch Kinderarbeit oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen erbracht wird, ist egal, wenn nur das Produkt betrachtet wird. Was droht, ist ein Unterbietungswettlauf durch unterschiedliche arbeits-, sozial-, umweltrechtliche Normen.

GATS-Verhandlungen: Geheimdiplomatie statt Demokratie

GATS-Verhandlungen: Geheimdiplomatie statt Demokratie Trotz der erheblichen Bedeutung der GATS-Verhandlungen finden diese unter weitest gehendem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Selbst Bundestagsabgeordnete beklagen sich darüber, dass sie nur spärliche und irreführende Auskünfte seitens des Wirtschaftsministeriums erhalten. So wurden die GATS-Verhandlungsentwürfe der EU-Kommission zwar Wirtschaftsverbänden mit der Bitte um Kommentar zugestellt, nicht jedoch dem Parlament. Parlamentarische Beratungen oder gar Entscheidungen über den Inhalt der europäischen Liberalisierungsforderungen und -angebote haben in einem nur sehr begrenzten Rahmen stattgefunden. Gänzlich unberücksichtigt blieb eine politische Diskussion über eigene Forderungen gegenüber Drittländern bzw. die Rolle der EU im internationalen Kampf um Marktzugang.

Das alles ist umso brisanter, als einmal eingegangene Liberalisierungsverpflichtungen praktisch kaum rückgängig gemacht werden können. Bei Verstoß gegen die Regeln des GATS nach Öffnung eines Bereichs hat ein Staat mit Sanktionen seitens der WTO zu rechnen. Wer Liberalisierungen in einem Bereich komplett rückgängig machen möchte, muss sich zu Kompensationen verpflichten, die jedes Land, das von der Einschränkung betroffen ist oder sein könnte, individuell festlegt. Eine Rücknahme ist also mit derart hohen politischen und materiellen Kosten verbunden, dass sie sich kaum ein Land leisten kann.

Kernproblem ist: Mit dem GATS soll ein weltweiter Markt ohne jegliche politische Steuerung geschaffen werden. Ein privater oder deregulierter Dienstleistungsbereich ist jeglicher demokratischer Kontrolle und Gestaltung unzugänglich. Aber: Nur wenn die Bereiche der Daseinsvorsorge öffentlich verfasst sind, sind sie entsprechend politisch beeinflussbar und potentiell demokratisierbar.

JungdemokratINNen/ Junge Linke Berlin fordern

  • Keine Privatisierung öffentlicher Dienste – Stoppt GATS!
  • Öffentliche Dienste unter demokratische Kontrolle!
  • Radikale Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Länder der „Dritten Welt“ statt rücksichtsloser Liberalisierung des Welthandels!
  • Für arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards weltweit!
  • Demokratisierung statt privater Profitmaximierung!

Beschluss der ersten Landeskonferenz 2003 der JD/JL Berlin


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Gegen die Agenda 2010: Die ganze Richtung passt uns nicht!

Unter dem Namen Agenda 2010 wird der euphemistisch als „Reformpolitik“ bezeichnete größte und konzertierteste Anschlag auf das Sozialsystem in der Bundesrepublik zusammengefasst.

Unter dem Druck von Massenarbeitslosigkeit und leeren öffentlicher Kassen werden die daraus resultierenden Lasten vor allem an Beschäftigte, Erwerbslose und andere Bezieher öffentlicher Leistungen weitergegeben. Unter dem Vorwand der Senkung der Lohnnebenkosten werden die Kosten einseitig den ArbeitnehmerInnen aufgebürdet.

Standortpolitik wird mit angeblichen Wettbewerbsnachteilen, die Deutschland in der weltweiten Konkurrenz hätte, gerechtfertigt. Dass Deutschland Exportweltmeister ist, dass die Unternehmen Rekordgewinne einfahren, dass sich der Anteil der Lohnsteuern am Gesamtsteueraufkommen, verglichen mit dem Anteil der Steuern auf Gewinne, seit Jahren konsequent erhöht hat, sind Argumente, die in den Debatten des gesellschaftlichen Mainstreams nahezu vollständig marginalisiert sind.

Stattdessen wird mit einer beeindruckenden Vehemenz auf den Gewerkschaften als der wichtigsten gesellschaftlichen Kraft, die das alles zumindest nicht aktiv mitträgt, herumgehackt, und das immer stärker, je schwächer ihre Position in den Auseinandersetzungen wird. In diesem gesellschaftlichen Klima finden die „Reformbestrebungen“ der rot-grün-schwarz-gelben Einheitsregierung statt.

Mit den „Hartz“-Reformen werden die Rechte von Erwerbslosen weiter beschnitten. Mit Leistungskürzungen, ausgeweiteten Zumutbarkeitsregelungen und verschärfter Gängelung werden die Lebensbedingungen für Erwerbslose weiter verschlechtert und Repressionssysteme ausgebaut, als wenn das Problem nicht der Mangel an vernünftig bezahlten Arbeitsstellen wäre, sondern die Unwilligkeit der Arbeitslosen, sich auf diese zu bewerben. Dadurch wird zugleich der Druck auf noch Beschäftigte verstärkt und der Niedriglohnsektor ausgeweitet.

Die weitere Privatisierung der Rentenversicherung kündigt die paritätische Finanzierung des Sozialversicherungssystems auf. Das Renteneintrittsalter soll erhöht werden. Damit wird nicht nur Lebensqualität für abhängig Beschäftigte weiter verschlechtert, sondern auch das Arbeitslosigkeitsproblem weiter verschärft.

Mit der Ausweitung der Scheinselbständigkeit („Ich-AG“) und der Aushöhlung des Kündigungsschutzes vor allem für ältere ArbeitnehmerInnen wird der Druck auf die Beschäftigten weiter verschärft.

Im Rahmen der Gesundheits„reform“ werden durch Leistungskürzungen, Praxisgebühr und erweiterte Zuzahlungspflicht wiederum Risiken privatisiert und das paritätische Finanzierungsmodell durch die Hintertür entsorgt.

Doch Bundesregierung, konservativ-liberale „Opposition“ und Unternehmervertreter haben noch lange nicht genug: Immer weitere neoliberale Reformen werden gefordert und angekündigt. Der nächste große Schritt wird die Steuerreform sein, die mit weiteren „Entlastungen“ für Besserverdienende die Finanzlöcher hervorrufen wird, mit denen dann die nächsten sozialen „Einschnitte“ gerechtfertigt werden.

Zu diesen „Reformen“ sagen wir: Reform ist, wenn’s den Menschen besser geht! JungdemokratINNen/Junge Linke stellen sich dieser Politik entschieden entgegen, denn:

Die ganze Richtung passt uns nicht!

Wir halten es für unverzichtbar, diesen Entwicklungen eine möglichst breite gesellschaftliche Protestbewegung entgegen zu stellen, die von der radikalen Linken bis zu Gewerkschaften und den verbliebenen Linken in SPD, PDS und Grünen reichen muss.

Mittelfristig können die Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherungssysteme gelöst werden, wenn durch Lohnerhöhungen und Abbau der Arbeitslosigkeit die Kassen sich wieder auffüllen, außerdem muss der privat angeeignete gesellschaftliche Reichtum über Steuern endlich wieder zur Finanzierung der Aufgaben des Gemeinwesens herangezogen werden.

Auch wenn wir langfristig weitergehende Forderungen haben intervenieren wir in die aktuelle Debatte mit folgenden, gerade in die der aktuellen Regierungspolitik entgegengesetzte Richtung weisenden Forderungen

  • Zurücknahme aller Leistungskürzungen, Gebührenerhöhungen und Sanktionsverschärfungen im Rahmen der Agenda 2010
  • Rücknahme der Zumutungen für Erwerbslose – Ausbau, nicht Einschränkung der Rechte von Erwerbslosen
  • Leiharbeit in sozial und rechtlich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse umwandeln, Billigjobs abschaffen
  • Erhalt der Tarifautonomie und der Flächentarifverträge
  • radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
  • Lohnerhöhungen, die den gestiegenen gesellschaftlichen Reichtum an die Beschäftigten weitergeben
  • Rücknahme der Gesundheitsreform und Abschaffung der privaten Krankenkassen und Versicherungspflicht für alle in der gesetzlichen Krankenversicherung
  • ein solidarisches Rentensystem, das Alterarmut verhindert und für alle ein Altwerden in Würde ermöglicht
  • massive Besteuerung des gesellschaftlichen Reichtums, Wiedereinführung der Vermögenssteuer
  • Einführung einer die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben sichernden sozialen Grundsicherung

Beschluss der ersten Landeskonferenz 2004 der JD/JL Berlin


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Gesundheitspolitik: Privatisierung macht krank!

Die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme geht auch unter der rot-grünen Bundesregierung weiter. Dies hat die Rentenreform aus dem Sommer 2001 deutlich gemacht. Die Teilprivatisierung der Rentenversicherung steht exemplarisch für die zu beobachtende (re-)Privatisierung von Lebensrisiken bzw. den Abbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme. Ähnliches lässt sich seit einigen Jahren auch im Gesundheitsbereicht beobachten.

Auch hier gerät das solidarische Finanzierungsmodell der gesetzlichen Krankenversicherung immer mehr unter Druck. Mit dem Argument der „Kostenexplosion“ wird der Ausstieg aus dem solidarischen Gesundheitssystem als unausweichlich dargestellt. Die anstehende Gesundheitsreform soll deshalb vor allem für Kostensenkung sorgen. Wie das genau aussehen soll, ist im Augenblick noch Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen zwischen Politik und VertreterInnen der verschiedenen Lobbygruppen im Gesundheitssystem. Trotz allem ist zu befürchten, dass die Privatisierung des Gesundheitssystems einen neuerlichen Schub erfahren wird, sofern es keinen starken gesellschaftlichen Widerstand dagegen gibt.

Soziale Sicherungssysteme sollen – gemäß ihres eigenen Anspruchs – allgemeine Lebensrisiken ebenso mindern wie soziale Folgewirkungen einer kapitalistischen Ökonomie, „selbstverständlich“ ohne diese grundsätzlich in Frage zu stellen. So war auch die staatliche Einführung eines Systems von Sozialversicherungen für Arbeitslose, Rentner und Kranke im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts nicht Ausdruck humanistischer Ideale, sondern vielmehr die Konzession gegenüber der erstarkenden Arbeiterbewegung, mit der deren Fundamentalkritik an der neuen kapitalistischen Wirtschaftsweise und am deutschen Kaiserreich der Wind aus den Segeln genommen werden sollte. Betrachtet man beispielhaft die Auswirkungen von Privatisierung und Liberalisierung im Gesundheitssystem, wäre es jedoch zynisch, aus einer berechtigten Kritik am zum Teil repressiven Charakter des Sozialstaats zu folgern, soziale Sicherungssysteme müssten nicht gegen ihren Abbau verteidigt werden. Eine Privatisierung des Gesundheitssystems trifft insbesondere Alte, chronisch Kranke und sozial schlechter gestellte Menschen sowie Menschen, deren Verhalten als abweichend von der Norm definiert wird. Traurige Tatsache auch in reichen Industrieländern ist: Je geringer die soziale Stellung (gemessen an Bildungsabschluss, Beruf und Einkommen), desto schlechter ist der Gesundheitszustand und desto geringer ist die Lebenserwartung. Diese Menschen haben daher im Durchschnitt einen wesentlich höheren Bedarf an Leistungen der Krankenversorgung. Gerade für sie ist deshalb eine am Prinzip der Solidarität orientierte Krankenversicherung besonders wichtig. Zudem wird so für alle Menschen das unkalkulierbare Risiko krank zu werden, zumindest hinsichtlich der dadurch anfallenden Behandlungskosten solidarisch umgelegt. Auf einem solchen Solidarmodell beruht die gesetzliche Krankenversicherung, denn hier hat jeder Versicherte – zumindest grundsätzlich – unabhängig von der Höhe seiner Beiträge und dem individuellen Gesundheitszustand einen Rechtsanspruch auf jene Leistungen, die zur Behandlung der Krankheit erforderlich sind.

Seit Mitte der 70er Jahre, als die GKV aufgrund des Anstiegs der Arbeitslosigkeit und der mit ihr rückläufigen Einnahmen in eine Finanzierungskrise geriet, ist der Umfang des Leistungskatalogs vermehrt Angriffen ausgesetzt. Anfang der 90er Jahre leitete die konservativ-liberale Bundesregierung einen tiefgreifenden Wandel ein. Ständige Klagen über angeblich „zu hohe Lohnnebenkosten“ und „nicht mehr finanzierbare Ausgaben“ im Gesundheitswesen dienen seitdem der Legitimation von Markt- und Wettbewerbselementen im Krankenversicherungssystem. Die Akteure im Krankenversicherungssystem (Krankenkassen, Ärzte, im Prinzip auch die Versicherten selbst) sollen demnach zukünftig auch im Gesundheitssystem uneingeschränkt ihren ökonomischen Eigeninteressen folgen. Ein Denken, welches Gesundheitsversorgung einzig unter dem Aspekt der Kostenreduzierung betrachtet, führt dazu, dass eine optimale Gesundheitsversorgung, die sich am gesellschaftlichen Bedarf orientiert, eine immer geringere Rolle spielt.

Menschen werden zunehmend – wie bereits in den privaten Krankenkassen praktiziert – individuell für ihre Krankheiten verantwortlich gemacht, um damit eine höhere individuelle Kostenübernahme für Vorsorge und Behandlung zu verknüpfen. Für jeden spürbar ist diese zunehmende Privatisierung von Gesundheitskosten dadurch, dass schon seit einigen Jahren für viele Regelleistungen der GKV (Verschreibung von Arzneimitteln, Kur- und Krankenhausaufenthalten, Zahnersatz etc.) Zuzahlungen in Kauf genommen werden müssen. Darüber hinaus wurde damit begonnen, vormals als medizinisch notwendig definierte Leistungen aus dem Katalog der GKV zu streichen. Dies reicht von „Bagatellerkrankungen“ wie Erkältungen oder leichten Verletzungen über Schwangerschaftstests bis hin zu verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen (z.B. Mammographien), Kuren und Physiotherapien. PatientInnen bleibt hier häufig nur die Möglichkeit, Medikamente oder Behandlungen aus eigener Tasche zu zahlen oder sich zusätzlich privat zu versichern.

Insgesamt kann man feststellen, dass die als „Kostendämpfungsmaßnahmen“ bezeichneten Leistungseinschnitte in der Regel nicht die Gesamtkosten senken, sondern nur die von der Kasse zu tragenden Kostenanteile. Damit aber findet eine Kostenverschiebung zu Lasten der Kranken statt, das Solidarprinzip wird also schon jetzt durch die Hintertür beschnitten. Geht diese Entwicklung weiter, so ist zu erwarten, dass sich künftig ärmere Menschen eine für sie notwendige Behandlung nicht mehr listen können. Privatisierung gefährdet so nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern wirkt auch sozial selektiv zu Lasten ärmerer Menschen.

Um eine an den Bedürfnissen der Menschen orientieret Gesundheitsversorgung zu garantieren und die sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen abzubauen, muss das solidarische Gesundheitssystem beibehalten und ausgebaut werden. JungdemokratINNen/Junge Linke Berlin kämpfen daher gegen eine zwei- oder Mehrklassenmedizin, in der nur eine stark reduzierte Grundversorgung für die Mitglieder der gesetzlichen Kassen gewährleistet wird. Optimale Gesundheitsversorgung ist ein öffentliches Gut, auf das jeder Mensch ein Recht haben muss und das deshalb nicht von Einkommen des Einzelnen abhängig sein darf. Allen Menschen muss unabhängig von ihrem Alter, ihrem Gesundheitszustand und der Höhe ihres Versicherungssatzes in gleicher Weise geholfen werden. Der Staat muss für dieses Gesundheitssystem die Gesamtverantwortung tragen. Da de finanzielle Krise der GKV vor allem aus gesunkenen Einnahmen aufgrund von niedrigen Lohnabschlüssen und der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit resultiert, würden schon der Abbau der Massenarbeitslosigkeit und höhere Tarifabschlüsse eine finanzielle Entlastung bedeuten und darüber hinaus zu einer Senkung der Krankenversicherungsbeiträge führen. Notwendig ist aber zudem die sofortige Aufhebung der Privilegien „Versicherungspflichtfreiheit“ und „Beitragsbemessungsgrenze“ für die Bezieher höherer Einkommen. Denn die Beitragsbemessungsgrenze sorgt dafür, dass Einkommen oberhalb dieser Grenze nicht bei der Berechnung des Beitragssatzes berücksichtigt wird, also sozialversicherungsfrei bleibt. Die zur Zeit gleich hohe Versicherungspflichtgrenze hingegen ermöglicht es ArbeitnehmerInnen mit einem Einkommen von mehr als 3.375 Euro nicht mehr zwangsweise Mitglied in der GKV sein zu müssen. Vor allem gesunde, alleinstehende und junge Beschäftigte mit höheren Einkommen können so gezielt von den privaten Krankenversicherungen abgeworben werden. Menschen mit sogenannten „schlechten Risiken“ (z.B. Alte, chronisch Kranke) sowie Versicherte mit niedrigen und mittleren Einkommen verbleiben hingegen in der GKV. Es liegt auf der Hand, dass diese Praxis für die GKV zwangsläufig niedrigere Einnahmen, höhere Kosten und damit wiederum höhere Beitragssätze verursacht. Auch die von rot-grün angestrebte Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 3.825 Euro monatlich wird bei Weitem nicht ausreichen, um die Probleme der GKV zu beheben.

Ziel einer solidarischen Gesundheitspolitik muss die Einführung einer einzigen, allgemeinen Krankenkasse unter öffentlicher Kontrolle sein: langfristiges Ziel ist ein freier Zugang zu Gesundheitsversorgung als Teil einer steuerfinanzierten Sozialen Grundsicherung. Statt marktliberaler Steuerungsinstrumente sind zudem Instrumente notwendig, die den Profitinteressen privater LeistungsanbieterInnen im Gesundheitssystem entgegenwirken. Positivlisten mit von unabhängiger Seite geprüften Medikamenten oder die Verschreibung von Wirkstoffen wären hier ein richtiger Schritt hin zu einer stärkeren Regulierung des Pharmamarktes. So könnten die Kosten des Gesundheitssystems statt durch die Einschränkung der Gesundheitsversorgung durch Abschöpfung der enormen Profite von Pharmakonzernen und anderer privater Profiteure im Geschäft mit Krankheit bzw. Gesundheit sinnvoll reduziert werden.

JungdemokratINNen/Junge Linke Berlin fordern

  • Für den Erhalt und Ausbau eines solidarischen Gesundheitssystems!
  • Keine Profite mit Krankheiten!
  • Keine Verknüpfung von spezifischen Verhaltensweisen und körperlichen Dispositionen mit der Gewähr von medizinischen Leistungen!
  • Keine Definition und Erfassung von „Risikogruppen“!
  • Regulierung des Pharmamarktes statt Liberalisierung des Gesundheitssystems!
  • Individuelle Kostenfreiheit für alle!
  • Umfassende soziale Grundsicherung für alle!
  • Für Selbstbestimmung der PatientInnen!

Beschluss der 2. außerordentlichen Landeskonferenz der JungdemokratINNen/Junge Linke Berlin vom 10.11.2002